02.07.2020

Flavio Cavadini, Vorstand HGW, 54 Jahre

Flavio Cavadini arbeitet als Bereichsleiter bei Rieter. Dabei hat er viel mit Produktionsstätten in China zu tun. Angesteckt hätte er sich aber beinahe in Winterthur.

In welchem Bereich von Rieter arbeiten Sie? 
Ich arbeite als Bereichsleiter im Bereich Entwicklung für Textilmaschinen. In unserem Bereich findet die Produktion wie auch Montage der Maschinen in China statt, ich bin sicher drei- bis viermal pro Jahr da. Aber meine Corona-Geschichte hat nur indirekt mit China zu tun. Wir hatten Anfang März den neusten Maschinentyp von China zur Überprüfung nach Winterthur geliefert. Natürlich hatte ich dafür Kontakt mit unseren Monteuren in Winterthur. 

Und dann? 
Bekam ich plötzlich einen Anruf von einem Vorgesetzten, ich dürfe nicht mehr arbeiten gehen, ich müsse in Quarantäne. Einer unserer Schweizer Monteure hatte Corona. Eine Ansteckung war tatsächlich wahrscheinlich, denn die gemeinsame Diskussion mit 2 Meter Abstand an Maschinen ist schwierig. Da steckt man die Köpfe zusammen. Zum Glück war soeben das Testcenter in der Stadt eingerichtet worden. Weil meine Frau der Risikogruppe angehört, konnte ich bald einen Test durchführen. Dieser fiel zum Glück negativ aus. 

Wie haben Sie sich gefühlt, als potenziell infizierte Person? 
Das war ein wahnsinnig mulmiges Gefühl. Ich wollte das gar nicht wahrhaben, dass ich Corona haben könnte. Ich meine: Ich habe mich super gefühlt und sollte eine schwer einschätzbare Krankheit haben? In der Gruppe, in der ich Bereichsleiter bin, habe ich das sofort im Chat kommuniziert – alle waren überaus teilnehmend und natürlich, auch in eigenem Interesse, riesig erleichtert über das negative Resultat. 

Hatten Sie gar keine Angst vor einer Infektion? 
Angst hatte ich eigentlich nicht, nein. Aber ich gehe jetzt doch anders durchs Leben, Covid-19 hat mich vorsichtiger gemacht. Der Kontakt mit Unbekannten ist ganz anders geworden. Bei Rieter laden wir beispielsweise mögliche Mitarbeitende wieder persönlich an Bewerbungsgespräche ein. Die Begrüssung verläuft total anders, und das bleibt haften. Ich weiss nicht, wie sich das weiterentwickeln wird, das ist schwierig zu sagen. Bleibt das so?  

Wie sah die Situation denn innerhalb Ihres Bereichs aus? 
Selbst als in gewissen Regionen von China wieder produziert werden konnte, standen andere noch still. So fehlten an unseren Produktionsstätten beispielsweise gewisse Teile. Vieles geriet ins Stocken. Für die besagten neuen Maschinentypen wurden die Kontrollen nach dem Corona-Vorfall sofort pausiert. Die Arbeitsumgebung wurde desinfiziert und andere Mitarbeitende nahmen die Arbeit wieder auf. Die Auslieferungen in die Türkei konnten zum Glück trotzdem stattfinden, einfach etwas zeitverzögert. 

Wie hat sich die Zusammenarbeit in Ihrem Team verändert?
Es war natürlich nicht mehr optimal und für mich als Bereichsleiter ein enorm grosser Organisationsaufwand, die Leute alle von zu Hause aus miteinzubeziehen. Es gibt viele alleinstehende Leute. Deshalb war es uns wichtig, regen Kontakt mit allen zu pflegen. Wir haben regelmässige Zoom-Meetings durchgeführt, in denen es um viel mehr als um den beruflichen Kontext ging. Auch das ist seither geblieben: Man fragt einander öfter mal, wie es geht. 

Was nehmen Sie persönlich an positiven Erfahrungen mit aus dieser komplizierten Zeit? 
Es ist mir erneut bewusst: Es kann so schnell etwas passieren, sei es mit dem Virus oder auch etwas anderes. Man muss unbedingt den Moment geniessen und nichts auf die lange Bank schieben. 

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